I love Web 3.0 – 10 Dinge, die ich am Web 2.0 hasse

Dieser Artikel beschreibt die 10 Dinge, die ich an der ganzen Web 2.0 Bewegung hasse. Absolut subjektiv – dafür aber nachvollziehbar und ehrlich. Ach ja: Web 2.0 Bewegung meint nicht nur das „Web 2.0“ ansich, sondern auch alles, was direkt oder indirekt damit zusammen hängt … also kurz: was aktuell im Web bzw. um das Internet herum abgeht.

1. Das Web 2.0 selbst

Der Begriff „Web 2.0“ wurde von Tim O’Reilly geprägt. So steht er auch in seinem 2005 (!) veröffentlichten Buch. Es wurde oftmals versucht, das „Web 2.0“ zu definieren – eine exakte Definition gibt es meiner Meinung nach nicht, aber Wikipedia spuckt (in Mitten eines unendlich lang erscheinenden Artikels) folgende Teildefinition aus:

„Aus technischer Sicht bezeichnet „Web 2.0“ oft eine Kombination der bereits Ende der 1990er Jahre entwickelten Techniken, die durch die große Zahl breitbandiger Internetzugänge erst jetzt großflächig verfügbar sind:

Derartige Anwendungen verwenden oft Web-Service-APIs (ca. 1998), Ajax (1998 – Asynchronous Javascript and XML, bis 2005 XmlHttpRequest genannt) und Abonnement-Dienste wie RSS (1997). Auch die Integration sozialer Software wie Blogs und Wikis wird im Zusammenhang mit „Web 2.0“ genannt.“

Da ich diese Meinung voll und ganz teile, empfinde ich es als peinlich, wenn etwas Existierendes neu verpackt und als etwas Neues angepriesen wird. Streng genommen gab es alle Faktoren des Web 2.0 schon geraume Zeit, bevor man marketing-wirksam einen Begriff unters Volk geschleudet hat. Nun gut – der Faktor Zeit hat eben das Nötige getan: die vorhandenen Ressourcen einfach besser auszuschöpfen und die richtigen Techniken bzw. Methoden zu kombinieren. Aber von „2.0“ kann ich da ehrlich gesagt nichts erkennen. Dafür ist das Ganze viel zu vage definiert und die Entwicklungen zeigen auch noch kaum (sinnvolle) Neuigkeiten.
2. Das PR-Phänomen (sorry für den infiniten Regress!)

Bitte entschuldigt den infiniten Regress für den ich mit diesem Artikel sorge. Sicherlich freue auch ich mich über die Aufmerksamkeit, die mir das PR-Phänomen Web 2.0 zukommen lässt. Aber trotzdem empfinde ich es als störend, manchmal sogar als absolut lächerlich, wenn ich in den Medien – insbesondere bei Pressemeldungen großer (seriöser) Unternehmen mit Web 2.0-Phrasen bombadiert werde. Toll, wenn das Ganze in den Nachrichten auftaucht. Auf einmal lernen die Nachbarn ja, das der „PC Freak nebenan“ in Wirklichkeit im Internet wichtig ist …
Sicher – bestimmte Dinge sind auch nützlich … Blogs beispielsweise … aber diese sind eben auch „nur“ eine modifizierte Form von Foren. Man packt einfach das Prinzip der „many-to-many Komunikation“ und macht ein „one-to-many“ daraus, das durch „many-to-many“-Faktoren (Kommentare) hübsch alltagstauglich gemacht wurde. Aber neu? Nee – wirklich neu ist nichts.
Ach ja: ich bin übrigens auch der Meinung, dass die Tatsache der ungenauen Definition zum „Web 2.0-Hype“ geführt hat … jeder will wissen, was dahinter steckt, aber keiner wird es je vollkommen erfahren … das grenzt ja schon an einer spirituellen Definition! Ui – das muss interessant sein! Web 2.0 ist toll! Und genau deshalb muss es auch in jeder Ausgabe einer Tageszeitung – am Besten in den Überschriften, auf jeder Webseite und in jedem Businessplan stehen … und schon muss das Ganze interessant sein … aber irgendwie erinnert es an den Beginn des Zeitalters der Aufklärung … alle haben Fragen und suchen Antworten und – wie von Geisterhand – hat man ein „magisches“ PR-Phänomen … etwas, über das man gerne schreibt und über das geschrieben wird. Am Liebsten natürlich durch User, denn selbstproduzierter Content wäre zu teuer – das weiß man schon aus dem Web 1.0. Und schon werden die Aufzuklärenden interessiert … jeder will etwas zu sagen haben, jeder will schreiben und sich der Welt mitteilen. Und genau damit erwischt man alle. Eigentlich genial – wäre man nur nicht selbst Teil von etwas geworden, das niemand erklären kann … aber man ist ja auf der Suche nach Antworten … *schreib* …
3. Die Usability

Noch toller finde ich es, wenn man auf Webseiten gar nicht mehr navigieren kann, weil man nur noch Auflistungen von Web 2.0 Nochirgendwas Services bombadiert wird. Oh ja und einer meiner absoluten Favoriten ist die Usability von Blogs: hier kommen ganz neue Dinge zum Einsatz wie beispielsweise entgegen dem natürlichen Blickverlauf positionierte Menüs – am Besten zwei oder drei nebeneinander oder ineinander verschachtelt. Dann noch ein bisschen Werbung und ein paar Buttons rein und schon ist man auch „Web 2.0“. Wow! Was für ein Fortschritt!
4. Die Ladezeiten

Jetzt, da die DSL-Verbreitung immens ist, hält es keiner mehr für nötig, auf die Ladezeiten einer Webseite zu achten. Vor Jahren verfluchte Elemente wie ellenlange Flash-Intros, superkomplexe Tabellenlayouts und unkomprimierte JPEG-Bilder als Designbestandteile sind nun wieder Standard. Ganz toll. Wäre da nur nicht:

5. Die Konvergenz der Endgeräte

Ehrlich gesagt, finde ich die Konvergenz der Endgeräte gar nicht soooo schlecht. Es ist toll, wenn ich mit dem Handy kurz online gehen kann und meinen Terminplaner abrufen oder die Nachrichten sehen kann. Aber muss es sein, dass man auch mit einem TV-Gerät online gehen kann? Gibt es wirklich so viel Sinn, wenn man Daten auf einer Armbanduhr speichern, per Handy „MoBlogging“ zu betreiben oder per Haustelefon SMS zu verschicken?

Ich bin mit Sicherheit ein Technologie und Elektronik Fan, aber gibt es nicht Sinn, nicht 24 Stunden am Tag kommunizieren zu wollen können? Aber toll, dass die Ladezeiten jetzt wieder größer werden – dadurch muss man minutenlang warten, bis man (aufgrund der schlechte[re]n mobilen Anbindung) die Inhalte unterwegs abrufen kann. Na toll.
6. Der gläserne Bürger

„Wenn ich jemanden kennenlerne, dann suche ich ihn im Internet.“ Diesen Satz hört man immer öfter. Je vertrauter der Probant mit dem Internet ist, so kann er problemlos private – unter Umständen sogar intime Details über eine Person herausfinden. Gibt es nicht Sinn, dass jeder das von sich preisgibt, was und wann er es will? Ich bin der Meinung, dass genau dies zu massiven Vorurteilen und Kommunikationsproblemen führen kann. Was, wenn jemand einfach den gleichen Namen wie besitzt und einige negative Details über diese Person veröffentlicht wurden? Was, wenn ein gleich lautendes Unternehmen Insolvenz anmeldet? Dann ist man ruiniert. Aber gut, dass alle wissen, welchen Sport man macht, wer mit wem in welchem Verwandtschafts- bzw. Freundesgrad zusammen hängt und welche Interessen ich habe. Sorry, aber genau DAS ist grob fahrlässig!
7. Die Grauzonen

Das Web 2.0 ist wie das Web 1.0 eine große, rechtliche Grauzone. Wann endlich begreifen Regierungen, dass das Internet nicht von lokalen Gesetzen beeinflusst werden kann? Was bringt es, wenn ich – um gewisse Inhalte zu finden – einfach anstatt .de .com eingeben muss? Ach ja. Stimmt. Deutschland entgehen so nicht nur die versteuerten Einnahmen, sondern auch die Wirtschaftskraft, Innovativität und die Arbeitsplätze, die von derartigen Grauzonen betroffene Unternehmen mit sich bringen würden. Diese Unternehmen eröffnen dann ganz einfach ihre Pforten in einem anderen Land – meist nur ein paar Kilometer entfernt und schon dürfen sie alles. Andere Länder, andere Sitten? Sehr wenig „Inter“, so ein Internet!

8. Hypes

Auch die ganzen Hypes nerven mich. Der eine Hype macht schlechte Sänger, Komiker etc. bekannt, der andere ist ein großes Missverständnis und wieder ein anderer ist einfach nur ein Fake. Sicherlich – wirkliche Neuerungen, Erzählenswertes, gibt es auch darunter – aber doch viel zu wenig. Egal, was man macht – Hauptsache, man verbreitet’s.
9. 24/7 Availability & Service

Amerikanisierung ist hier ein tolles Stichwort. Servicewüste Deutschland auch. Beide zusammen ergeben das, was aktuell auf dem Tagesplan vieler Internetunternehmen steht: Hauptsache, wir sind immer erreichbar. Vielleicht fällt mal einem auf, dass ein Großteil dieser 24/7 Rufnummern nachts nur durch Robots oder Callcenter belegt sind – aber niemand wartet ja gerne. Dann labert man lieber ein Band voll, anstatt morgend zurück zu rufen (ach ja – früher werden die Anfragen i.d.R. ehr nicht bearbeitet). Aber gut, dass es diesen „Service“ gibt. Neee – das kann’s nicht sein. Wenn Amerikanisierung, dann richtig. Lohnnebenkosten runter, soziales Netz runter, billige Arbeitskräfte für die Nacht. Ach nein, stimmt – das will man dann ja doch nicht. Aber „warten“ ja auch nicht. Mehr bezahlen? Nein. Das gehört doch zum Service!

10. Die Wachstums-Manie oder: die Geschichte wiederholt sich …
Super Sache, so ein Web 2.0. Jeder nutzt es, jeder mag es und alle freuen sich schon auf die nächste Adhoc-Meldung (mittlerweile) milliardenschwerer Konzerne, die durch – ebenfalls milliardenschwere – Aufkäufe via medialen Kanälen die Web 2.0-Liebhaber Herzen erobern.

Aber hoppla. Wenn man in obigem Abschnitt das „2.0“ streicht, dann hört sich das Ganze wieder an, wie um die Jahrtausendwende. Ach ja, stimmt. Daran möchte kann sich niemand erinnern. Deshalb bin ich mal so frei und zitiere aus dem „Dotcom-Blase„-Artikel aus Wikipedia (aaah endlich mal wieder ein Projekt, das schon länger als 24 Monate besteht!):

„Gegen Ende des Booms zeichnete sich bereits ab, dass die hochbewerteten Unternehmen die Gewinnerwartungen nicht in absehbarer Zeit würden erfüllen können. Ihr Börsenwert war zumeist jedoch nicht durch materielle Gegenwerte gedeckt, da das Kapital eines IT-Unternehmens weniger in materiellen Gütern als vielmehr in der geistigen Leistung seiner Mitarbeiter zu finden ist. Oftmals bestand der Buchwert der Unternehmen aus nicht viel mehr als einigen Gebäuden und der IT-Infrastruktur, und die im Expansionsdrang zugekauften Unternehmen waren meist nicht profitabel.“

Ui, das ist ja ein Ding. Kann es etwa sein, dass wir uns in der Anfangsphase des obigen Szenarios befinden? Nein, auf keinen Fall… das sagen sie alle … bis der Insolvenzantrag gestellt werden muss …

==> Mein Fazit – das Web 3.0

Im Web 3.0 – also auf jeden Fall in dem, was ich mir darunter vorstelle gibt es die o.g. Problematiken nicht. Logo. Das Triviale daran finde ich, dass – trotz massenkommunikationstauglichem Web 2.0 – das Web immer noch das Web ist und auch bleiben wird. Das Web entwickelt sich weiter, keine Frage. Das ist auch wichtig und richtig. Die Frage ist nur, ob es wirklich Sinn macht, Begriffe in die Welt zu setzen, die unklar definiert sind. Naja. Aber es scheint zu funktionieren. Ich warte nur darauf, dass das Web 3.0 die mediale Runde macht. Wirklich ändern wird sich auch da nichts. Höchstens weiterentwickeln.

Aber einige Dinge bleiben auf jeden Fall konstant … es wird immer Hypes geben, wir werden immer transparenter (auch, wenn wir das nicht möchten) und das Phänomen der „Dotcom Blase“ wird es auch immer geben. Ich für meinen Teil hoffe einfach nur, dass die anderen Punkte sich „einpendeln“, dass die Usability wieder zurückkehrt, dass ich Anbieter (egal welchen Bereichs) endlich auf einheitliche Standards einigen, dass die rechtliche Komponente endlich mal global in Angriff genommen wird und schlussendlich, dass die Augenwischerwei von wegen „ooooh wir haben was Neues“ aufhört. Das wiederum wäre eine Entwicklung, die das Web 2.0 gerne nehmen darf, denn etwas derartiges würde jedem von uns weiter helfen … kein Blabla, sondern ein einfach bedienbares, sinnvoll strukturiertes Internet. Und um die PR-Wirksamkeit nochmals zu betonen: „Web 3.0, wir kommen!“ 🙂

Weitere, höchst interessante Links zum Thema Web 2.0:

Hat Deutschland zu wenig im Web 2.0 getan?

Per Anhalter durchs Web 2.0

Web 2.0 oder: Der Versuch einer postmortalen Befruchtung

Interview – Was kostet uns Web 2.0?

Existiert das Web 2.0 gar nicht? 

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