Sodele – jetzt mal wieder ne nette Filmkritik. Heute: „The Jacket„. Der Film ist via VOD bei arcor.de/vod streambar (gute Qualität!), ist aber auch auf DVD erhältlich. Er kam in Deutschland nie in die Kinos – gehört aber mit Abstand zu den besten Filmen, die ich je gesehen habe. Aber alles der Reihe nach… ach ja: bitte erschreckt nicht, weil die Vornamen der Hauptdarsteller „Jack Starks“ und „Jackie Price“ an das „Jack“ in „The Jacket“ angelehnt ist. Der Film ist und bleibt ein top Tipp! 🙂
Handlung & Film-Kritik:
Der Soldat Jack Starks (Adrien Brody) wird im 1. Golfkrieg von einem kleinen Jungen angeschossen. Die Kugel traf ihn in den Kopf und verletzte ihn schwer. Er kann sich aber wieder aufrappeln, kassiert sogar Ehrenmedaillen für seinen Einsatz – leidet aber an Amnesie und kann sich daher an nichts erinnern. Nachdem er die schwere Krankheitsphase überwunden hat, geht der durch und durch freundliche Starks eine Straße entlang – auf der Suche nach einem neuen Leben. Auf der Straße sieht er dann – mitten im Winter – ein liegen gebliebenes Auto. Davor eine junge Frau mit ihrer kleinen Tochter. Die Mutter ist drogenabhängig und nicht zurechnungsfähig. Sie liegt total fertig vor dem Auto, muss sich übergeben. Jack versteht sich gleich mit der Tochter – er will auch ihr helfen. Also freundet er sich mit ihr an, denn ohne ihre Hilfe würde die Mutter wahrscheinlich sterben, so glaubt Jack. Als Starks dann den liegen gebliebenen Wagen doch noch zum Laufen bringt, kommt die Mutter wieder zu sich und misinterpretiert eine Situation so dass sie davon ausgeht, dass Jack ihre Tochter belästigen will. Es wird zwar klar, dass das nicht so war, denn auch die Tochter sagt immer wieder, dass Jack Starks nur helfen wollte. Der vollgedröhnten Mutter ist das egal. Sie will nur weg. Aufgrund der Tatsache, dass Jack Stark einfach nur nett sein wollte und helfen wollte löst dies ein unglaubliches Trauma bei der Tochter aus. Sie wird diesen unglaublich negativen, weil durch und durch unfairen, dramatischen Moment niemals vergessen. Diese Handlung bietet die Basis für die eigentlichen Handlungsstränge.
Hier kommt dann der erste Zeitsprung – Jack steht vor Gericht. Nach und nach weiß man auch warum. Und hier kommt gleich der nächste Zeitsprung – Jack sieht Bruchteile seiner Vergangenheit wieder. Man sieht Jack Starks als Tramper bei einem total durchgeknallten Typ mitfahren. Dieser erschießt den Polizisten, der das Auto kontrollieren will. Jack steht immer noch vor Gericht, die Lage erscheint aussichtslos. Er kommt aufgrund seiner Amnesie bzw. einer vermuteten Persönlichkeitsstörung nicht in den Knast, sondern wird direkt in eine Nervenheilanstalt eingewiesen. Diese wird von dem – nun ja – nennen wir ihn mal: konservativen und gefährlichen Psychiater Dr. Thomas Becker betrieben. Jack Starks wird in der Klinik hart rangenommen. Die Mitarbeiter wollen seine Ignoranz brechen und ihn dazu zwingen, sich auf die Therapie einzulassen. Dummerweise besteht die einzige Methode, die in dieser Klinik angewandt wird in einer Art Schocktherapie. Der Patient bekommt diverses Zeug verabreicht und wird dann in einer Zwangsjacke in eine Leichen-Schublade (je genau, die Dinger aus den Ami-Krimis in denen Leichenhallen vorkommen) gesteckt. Dort bleibt der Patient für eine unterschiedlich lange Zeit. Der Film zeigt, wie verängstigt Jack auf diese Nahtod-Erfahrung reagiert. Er driftet zusehens ab und beginnt Bilder vor seinem Auge zu sehen, die so nicht existieren können. Auf jeden Fall meint man das, bis es erneut zu einem Zeit- und nun auch zu einem Raumsprung kommt und Jack sich in der Zukunft wieder findet.
Dort lernt er Jackie Price (Keira Knightley) kennen. Die besonders authentisch und hübsch erscheinende Jackie und Jack kommen sich näher – bis zu dem Moment, an dem Jack erkennt, dass sie das Mädchen war, dem er vor relativ kurzer Zeit auf der einsamen Landstraße geholfen hat. Jack erschrickt zu Tode. Jackie ebenfalls. Jackie wörtlich: „Jack Starks ist tot!“. Ab diesem Moment bekommt „The Jacket“ einen nicht vorhersehbaren, mystisch-bedrohlichen Unterton, der aber zum Ende hin wieder verfliegt und sich in pure Mystik verflüchtigt. Jack auf jeden Fall erfährt, dass er nur kurze Zeit nachdem er in „The Jacket“ gefangen war, gestorben ist. Er kommt seinem Tod also unweigerlich näher. Jackie und er schaffen es jedoch – trotz des anfänglichen Schreckens – bei der Suche nach der „Wahrheit“ zu kooperieren und Jacks Todesursache herauszufinden. Auffällig ist dabei, dass keiner etwas davon wissen will – alle schweigen, sind zum Teil Alkoholiker oder gar selbst Insassen der Anstalt geworden. Die Suche gestaltet sich also sehr schwer.
Zurück in der Heilanstalt lässt sich Jack ab sofort gezielt in die Zwangsjacke stecken, um dem Alltag und vor allem seinem Tod zu entfliehen. Ab hier wird auch endlich klar, worauf die Handlung so präzise hingearbeitet hat, worauf sich die dramaturgischen Elemente bezogen und wie das alles zusammen passt. Es geht darum, dass Jack vor seinem vorhersehbaren Tod ein letztes Mal durch die Zwangsjacke der Todesrealität entfliehen kann und dass er dadurch einen infiniten Regress startet – ein nicht mehr aufhörendes Kontinuum aufreißt – mit dessen Hilfe er eben doch überlebt, obwohl sein Tod längst unausweichlich ist. Dies wird nur möglich, weil Jackie und er es schaffen, nach und nach der Wahrheit näher zu kommen bis Jack schlussendlich das zustößt, wovon alle ausgegangen sind: er stirbt.
Aber eben nicht ganz, denn er wird in der Gegenwart schwer verletzt als er zusammen mit der gegenüber Dr. Thomas Becker kritischen Ärztin Dr. Lorensen ebenfalls auf der Suche nach seiner Todesursache ist. Er droht zu sterben. Der einzige Ausweg, der ihm bleibt: ist „The Jacket“. Jack lässt sich also mit blutender Kopfwunde in die Zwangsjacke stecken und kommt ebenfalls ein letztes Mal in die Leichen-Schublade der Nervenheilanstalt. Hier wird klar, was die ganze Zeit los war: Jack hat bei all seinen Zeit- und Raumreisen tatsächlich den Ort des Schreckens verlassen! Er landet also abermals in der Zukunft (obwohl er eigentlich hätte tot sein müssen). Er hat es aber geschafft, Dinge in der Vergangenheit zu verändern – diese Zukunft sieht also viel rosiger aus als die futuristische Halbrealität mit der er in der Zwangsjacke in seinem dunklen Gefängnis konfrontiert war. Jack hat etwas bewegt. Als kleines Dankeschön bekommt er dann seine Keira Knightley (die übrigens top spielt!) äääh Jackie zurück und alles wird gut. Auch, wenn das Ende etwas polemisch klingt: es kommt gut. Schaut es Euch einfach „The Jacket“ an! 🙂
Da das eigentliche Ende bis zum Schluss offen bleibt ist der Film durch und durch spannend. Die abschließend folgenden „so wird alles gut – danke Jack Du hast die Welt verbessert“-Szenen hätten meiner Meinung nach aber ausbleiben können, da die Lehre verbreitet wird „Du kannst die Zukunft ändern, alles bewegen“ und wenn ich einen lehrenden Film angucken will, dann schaue ich einfach ne Doku.
Fazit
The Jacket kombiniert die filmischen Genres derart intelligent, dass man eine Art „Thriller-Drama-Action-Film“ mit Future-Horror-Krimi-Charakter konsumiert. Mit Abstand einer der besten Filme, die ich je gesehen habe! Ein durch und durch gelungenes Meisterwerk, dass aufgrund der genialen Story in Verbindung mit einer top Besetzung, idealer Kameraführung und einer genialen Regie (George Clooney, Mark Cuban, Steven Soderbergh etc.) durch und durch gelungen ist. Das einzig wirklich Komische daran ist, dass er in Deutschland nie in die Kinos kam. Einfach krass – der Film hat unglaubliches Kultcharakter-Potential!
UPDATE I
Ach ja – ich habe gerade nachrecherchiert, weshalb der Film nicht so populär ist, wie ich ihn eingeschätzt hätte … er stieß anscheinend immer wieder auf gemischte Kritik. Genau das macht ihn ja auch so interessant. Ich bin mir aber ehrlich gesagt absolut sicher, dass jeder, der die Dramatik von Filmen mit infinitem Regress nachvollziehen kann und deshalb schätzt bei „The Jacket“ voll auf seine Kosten kommt.
UPDATE II
Nachdem ich jetzt schon stundenlang über diesen Film schreibe, verstehe ich umso besser, weshalb er nicht groß rausgekommen ist: es ist unglaublich schwer, die Handlung nachvollziehbar zu beschreiben, weil sie ausgesprochen komplex ist und eben kein Mainstream-Thema behandelt, das man innerhalb von einigen wenigen Sätzen verständlich ausdrücken kann. Man muss den „The Jacket“ einfach gesehen haben! 🙂
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